Aktuelles
Unter der Moderation des CDU-Wirtschaftsrates e.V. Schleswig-Holstein hat eine Fachkommission im Rahmen des Exzellenz-Clusters „Ozean der Zukunft“ als Beitrag zum Grünbuch der EU-Kommission ein Konzept für eine Sonderwirtschaftszone „ Westliche Ostsee“ erarbeitet. An den Sitzungen dieser Kommission haben auch verschiedene Vertreter von Fischereiorganisationen teilgenommen. Wir weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Vertreter der beruflichen Fischerei das Konzept nicht mit unterzeichnet haben, da sie wesentliche Teile der Ergebnisse nicht mittragen.
Grundsätzlich begrüßt die Fischerei, dass der Versuch unternommnen wird, Fischereiforschung zum Schutz, Erhalt und Wiederaufbau von Fischbeständen und wirtschaftiche Problemstellungen der Erzeuger (Fischer) in Verbindung zu bringen. Das Konzept für eine Sonderwirtschaftszone „Westliche Ostsee“ stellt den Versuch dar, die wesentlichen Mängel des derzeitigen Managements zu beseitigen bzw einzuschränken. Insbesondere die ausufernden, unübersichtlichen und unverständlichen Vorschriften sowie Planungsunsicherheiten durch sich jährlich ändernde Quotenzuteilungen und damit verbundene geringe Investitionsbereitschaft machen den Fischern das Leben schwer.
Das von der Fachkommission ausgearbeitet Konzept zeigt Möglichkeiten auf, zunächst in einem begrenzten Fischereigebiet (westliche Ostsee) mit einer überschaubaren Anzahl von beteiligten Anrainerstaaten eine neue Form des Fischereimanagements zu praktizieren. Folgende Eckpunkte dieses Konzepts finden in der beruflichen Fischerei allerdings nicht die uneingeschränkte Zustimmung:
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Ein Abbau der Überregulierung wird sicher von allen Beteiligten begrüßt. Die Umkehr der Beweislast, in dem der Fischer einen Nachweise für seine verantwortungsvoll ausgeübte Tätigkeit erbringen soll, wirft die Frage auf, ob damit nicht andere, neue Regulierungen implementiert werden. Insbesondere die Kamera-Überwachung an Bord lehnen wir ab. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Menschenwürde eines Fischers geringwertiger ist als die Menschenwürde einer Supermarkt-Kassiererin.
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Der in dem Konzept favorisierte Quotenhandel wird von der Fischerei abgelehnt. Auch unter der Berücksichtigung einer gewissen Priorität für die kleine Küstenfischerei bleibt die Befürchtung, dass kapitalstarke Gruppen sich einen großen Teil der Quoten sichern und es zu einer Verschiebung von vielen kleinen Betrieben hin zu wenigen großen Einheiten gibt.
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Gleichwohl ist eine Reform der derzeitigen Quotenbewirtschaftung erforderlich, die den Betrieben und den Erzeug erorganisationen mehr Planungssicherheit gibt. Innerhalb der Dachorganisation der einzelnen Landesfischereiverbände, dem Verband der deutschen Kutter- und Küstenfischerei e.V. in Hamburg, wird an einem solchem Konzept gearbeitet.
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Derzeit ist es möglich, Quote im Tauschverfahren nicht referenzwirksam zu übertragen. Eine weitere Flexibilisierung für tätige Fischereibetriebe ist wünschenswert, aber keinesfalls im Rahmen eines freien, vollständig liberalisierten Quotenhandels an einer Quotenbörse.
- Auch zu dem geforderten Rückwurfverbot gibt es seitens der Fischerei Anmerkungen. Die westliche Ostsee ist ein Gebiet mit relativ wenig unerwünschten Beifängen. Auch die seit Beginn dieses Jahres vergrößerte Maschenweite für die Dorschfischerei wird dazu beitragen, die Beifänge von Fischen unterhalb des Mindestmaßes zu minimieren. Wünschenswert aus Sicht der Fischerei wäre eine verstärkte Forschungstätigkeit in Fangtechnik um für die unterschiedlichen Fischereien ein optimales Netz zu entwickeln.
- Wir weisen darauf hin, dass im Jahr 2010 eine Erhöhung der Maschenweite erfolgte, die zu einer weiteren Verringerung unerwünschter Beifänge regelmäßig deutlich unter 5 % führen wird. Das discard-Problem in der Ostsee wird vom Wirtschaftsrat deshalb in seiner Bedeutung für die Bestandsbewirtschaftung überbewertet.
- Wir sehen keine Überkapazität der deutschen Ostseeflotte und lehnen es ab, auf mögliche Überkapazitäten in anderen Ostsee-Ländern mit Beschränkungen in Deutschland zu reagieren. Wir wollen nicht dafür bestraft werden, dass wir frühzeitig Flottenreduzierungen durchgeführt haben. Bei weiter steigenden Dorschbeständen ist das gegenüber den eigenen Produzenten und gegenüber den Wirtschaftsbeteiligten nicht zu verantworten.
- Wir lehnen es ab, die auf mehr oder weniger unsicheren Modellvorstellungen beruhenden biologischen Vorgaben als „zwingend“ zu akzeptieren. Wir halten es für sinnvoll, sozio-ökonomische Bewertungen und Folgeabschätzungen in die Entscheidungen einzubeziehen. Dies trifft für Quotensenkungen ebenso zu wie für Quotenerhöhungen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die zwingende Anwendung des Vorsorgeansatzes in der östlichen Ostsee eine erhebliche Quotenerhöhung auf 180.000 t Dorsch im Jahr 2010 ergeben hätte. Diese Menge hätte der Markt nicht aufnehmen können, so dass wirtschaftlicher Schaden nur dadurch vermieden wurde, dass die Quotenerhöhung im Rahmen eines Langzeit-Managementplanes auf 15 % begrenzt war und die Gesamtfangmenge für 2010 nur 51.267 t beträgt.
- Die Meldung von Fangergebnissen für jeden Hol erzeugt zusätzlichen Aufwand und eine Datenflut, die die Qualität der wissenschaftlichen Modelle in keiner Weise verbessert. Die Probleme in der Bestandsmodellierung liegen woanders. Die Grundannahme der Modelle, dass eine berechenbare stock-recruitment-relationship vorliegt, ist nicht zutreffend und führt deshalb regelmäßig zu Abweichungen der Modelle von der Wirklichkeit.
- Auch die Umwandlung von Anlandequoten in Fangquoten mit Anlandegebot ist eine Scheinlösung. Für die Qualität der Modelle reicht es vollkommen aus, die Menge an discard hinreichend genau zu schätzen bzw. mit Stichproben zu ermitteln, insbesondere bei den zukünftig zu erwartenden geringen Mengen an nicht marktfähigen Dorschen nach der Erhöhung der Maschenweite. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Wissenschaft die natürliche Mortalität (Wegfraß durch Robben und Kormorane, Wegfraß von Jungfischen durch größere Fische) und ihre naturbedingten Veränderungen unberücksichtigt lässt.
- Die vorgeschlagenen Quotierungen für die Freizeitfischerei ist unseres Erachtens nicht praktikabel. Es ist nahezu unmöglich, zehntausende Angler mit Quoten und Überwachungssystemen zu überziehen, die naturgemäß immer fehlerbehaftet bleiben. Es ist völlig ausreichend, die jeweiligen Entnahmen durch die Freizeitfischerei bestmöglich zu schätzen und in das Bewirtschaftungsmodell einzubeziehen. Eine Quotierung der Freizeitfischerei darf in keinem Fall zu Lasten der Berufsfischerei gehen.
Abschließend betonen wir: Jedwede Bekämpfung der illegalen Fischerei findet die volle Unterstützung unserer Fischer. Leider werden dazu im Rahmen der neuen Kontrollverordnung unsere Fischer und die Erzeugerorganisationen mit zusätzlichen Auflagen überhäuft, um die Legalität ihrer Tätigkeit nachzuweisen. Ob damit die illegale Fischerei gestoppt oder zumindest eingedämmt wird, darf bezweifelt werden.
Gretel Flindt
Geschäftsführerin
Landesfischereiverband Schleswig-Holstein
Am Hafen
23774 Heiligenhafen
Tel.: 04362/ 50 64 714
info@landesfischereiverband-sh.de